Culpa Innata

Culpa Innata

(dtp)

geschrieben von Jana Voth

 

     
 

"Ist es eine perfekte Welt ... Oder ein perfekter Albtraum?", prangt es auf der Verpackung. Eigentlich bezieht sich das auf die Story des Spiels, die einer Mischung aus Utopie und Antiutopie gleicht, aber man kann die Frage ebenso auf die Qualität des Spiels selbst beziehen.

 

Vorgeschichte oder "Weltunion und Schurkenstaaten ..."

 

Das gesamte Geschehen findet im Jahr 2047 statt. Auf der Erde ist so einiges passiert. Ein paar Zeittafeln im Spiel formulieren das schon ganz nett und geben den einzelnen Geschichtsabschnitten so klangvolle Namen wie: "Hyperdepression" (2015 bis 2017), "Chaotische Ära" (2018 bis 2024) und schließlich irgendwann schlicht und einfach "Ruhe und Frieden" (seit 2033). Kurz gesagt war auf der Erde ziemlich die Hölle los, bis sich die Weltunion gründete und für Friede, Freude und natürlich reichlich Eierkuchen für alle sorgte. Ach nein, da war ja was ... die "Schurkenstaaten". Damit sind alle Staaten (unter anderem Russland) gemeint, die sich noch nicht der Weltunion angeschlossen haben. In ihnen herrschen Anarchie und Chaos, was die etwas minderbemittelteren "Unionler" nur noch aus der Weiterentwicklung des Fernsehens kennen. Aber natürlich wird den Bürgern dieser Staaten der Zugang zur Union nicht völlig verwehrt. Um die Staatsbürgerschaft zu wechseln, müssen sie nur einige Monate auf einer Akademie verbringen (die sie erst einmal den Großteil ihrer Ersparnisse kostet) und vereinzelte Tests bestehen, darunter auch Gentests.

Die Erhaltung der stärksten Gene ist in der Union ebenso wichtig wie die Ausrottung sämtlicher Krankheiten; so sollen im Jahre 2047 Aids und Grippe bereits der Vergangenheit angehören. Der "perfekte" Mensch in diesem Weltbild hat also auf jeden Fall möglichst makellose Gene. Charakterlich zeichnet er sich unter anderem durch Zielstrebigkeit, "Westorientiertheit" und, nicht zu vergessen, Egoismus aus. Um als ein "guter" Bürger zu gelten, ist es aber auch wichtig, intelligent und vor allem wohlhabend zu sein. Diese Eigenschaften, kombiniert mit dem unbeirrbaren Glauben an das Unionssystem (und sicherlich noch einigem mehr) werden im "HDI" ("human development index"), zusammengefasst. Ein "HDI" von unter 9 macht einen Bürger zum Geächteten, während man mit einem "HDI" von etwa 97 zum "Erleuchteten" wird. Einen Wert von 100 besitzen nur noch "Heilige". Hier nimmt die Struktur eindeutig religiösen Charakter an, was auch in der Präsentation so fortgeführt wird. Die ganze Geschichte und These macht einen sehr gründlich durchdachten Eindruck. Inwiefern die Geschichtsdaten auch in der Realität möglich wären und die Daten sinnvoll sind, sei mal dahingestellt.

 

Ingamestory

 

Wir schlüpfen in die Rolle von Phoenix Wallis. Ihr HDI beträgt immerhin 73 und sie ist Friedensoffizier der Weltunion, also ein gut integriertes Mitglied der Gesellschaft. Sie wurde gerade erst befördert und will sich eigentlich nur einem "harmlosen" Kriminalfall widmen. Dabei handelt es sich um einen Mord an einem Unionsmitglied im "Schurkenstaat" Russland. Die Ereignisse gehen aber weitaus tiefer, als es auf den ersten Blick sichtbar ist. Sie offenbaren dunkle Geheimnisse hinter der Fassade der "perfekten" Welt.

Steuerung

 

Die Steuerung erfolgt per traditionellem "Point and Click" und wurde so weit vereinfacht, dass man im Prinzip wirklich nur die Maus benötigt. Der Linksklick dient dabei zum Bewegen und Interagieren und der Rechtsklick zum Wechseln ins Menü und zurück ins Spiel. An sich also sehr einfach. Ein altes Problem der Technik aber bleibt: Man sieht nicht immer, wohin man eigentlich gehen oder wo man etwas tun kann. Schwierig kann es auch wegen des all zu häufigen und starken Wechsels der Kameraperspektive werden, der teilweise so extrem ist, dass man die Orientierung verlieren kann. Davon abgesehen ist die Navigation aber zumeist sehr einfach, was auch für die Bedienung der Rätsel und das Führen von Gesprächen gilt.

Auch wenn das Spiel eine Art Mischung aus Krimi und Knobelei sein soll, sind die Rätsel vor allem hinsichtlich ihrer Qualität eher mager vertreten. Es sind keine neuen Ideen dabei und kaum Knobeleien, die richtig Spaß machen. Entweder sie sind an sich schon sehr einfach oder sie sind so aufgebaut, dass man dazu verleitet wird, lieber herumzuprobieren, als durch Nachdenken an die Lösung zu kommen. Das geschieht aber nicht, weil man nicht weiß, wie das Rätsel konstruiert ist, sondern weil der letztere Weg als ungleich zeitaufwendiger erscheint. Die eigentliche Stärke des Spiels sind die Dialoge, die einen Großteil der Geschichte vermitteln und einen ungewohnten Tiefgang haben. Dabei kann man durch unterschiedliche Vorgehensweisen auch den Storyverlauf bedingt verändern. Das Ziel, eine "Technologie des interaktiven Erzählens" zu entwickeln, ist Momentum also voll und ganz gelungen. Im Gegensatz zu einem guten Buch sind die Dialoge aber bisweilen doch recht langatmig.

Personen, mit denen man sich unterhalten hat, werden im "PA" ("personal assistant") gespeichert. Dort tauchen dann auch weitere Daten zu jeder Person auf, unter anderem der "HDI", die Gesundheit der Gene und sogar der IQ; wobei die Angaben etwas irreal wirken. Eine im Spiel als absolute "Hohlbirne" erscheinende Person soll so immer noch einen IQ von 98 haben. Weiterhin findet man im "PA" eine Karte samt Schnellreisefunktion, ein Inventar, das eigentliche Menü und ein Tagebuch. Letzteres ist besonders nützlich, da Phoenix automatisch einen Eintrag macht, wenn ihr etwas auffällt. Ihre Notizen beinhalten dabei oft Aufgaben oder weisen auf solche hin. Sind sie noch nicht erfüllt, ist der Text rot gefärbt.

 

Grafik oder "Nein, also "filmreif" ist das nicht."

 

Die größten Schwachpunkte der Grafik liegen in größeren Umgebungen. In kleineren Räumen fällt die (anscheinend) leicht veraltete Technik nicht so auf, aber wenn man ins Freie tritt, sieht man zum einen eine sehr "aufgeräumte" Gegend, um nicht zu sagen: Man sieht gähnende Leere. Zum anderen fallen dort die reichlich unansehnlichen Strukturen ins Auge. Alles wirkt sehr zusammengestückelt und nicht mehr dem heutigen Standard entsprechend. In kleineren Räumen hingegen entsteht eine viel bessere Atmosphäre und Licht- und Schattenspiel können dort so einiges retten. Noch ein Stückchen besser ist das Charakterdesign, wenn auch ebenfalls nicht wirklich gut. Die Personen besitzen eine lebendige Mimik, was lobenswert ist, aber das ändert nichts daran, dass sie nur sehr grob und "kantig" umgesetzt wird. Die eben kritisierte Minimierung der Grafik hat aber den Vorteil, dass das Spiel auch auf deutlich langsameren PCs läuft.

 

Sound

 

Bei der Synchronisation liegt eines der größten Probleme des Spiels. Man hat sich in der Story an ein sehr tiefgründiges Thema herangewagt, was aber eben auch als solches präsentiert werden sollte. Vor allem das Intro des Spiels ist leider so miserabel synchronisiert, dass es nur komisch wirken kann. Spätestens wenn der stilisierte Schmetterling angeflogen kommt und einen Mann anscheinend "wegbeamt", werden sich viele Spieler fragen: "Was zum ...?". Wir sind 40 Jahre in der Zukunft, so viel ist das nicht und das "Hm ... na ja ... du weißt schon." in schlimmster Amateursynchronisation macht es nicht besser.

Glücklicherweise geht das nicht während des gesamten Spiels so. Von allen im Spiel auftretenden Charakteren wurde die Hauptfigur Phoenix noch mit am besten synchronisiert, was das Ganze schon sehr viel erträglicher macht. Im Laufe des Spiels muss man immer wieder den einen oder anderen Fehltritt bei Sinn, Betonung und Vortragsweise erdulden, aber das eigentliche Problem besteht darin, dass man mit einem solchen Einstieg den Spieler nur schwerlich dazu überredet, weiterzuspielen. Ist man einmal in die Story vertieft, sieht man über die Synchronisationsprobleme und auch über die grafischen Mängel hinweg, aber soweit muss man halt erst einmal kommen. Was die Musik angeht, reicht die Palette von schönsten klassikangehauchten Stücken bis zu Liedern, die in ein Kinderzimmer passen würden, aber in einem Designerladen gespielt werden.

Hinsichtlich Grafik und Sound kann "Culpa Innata" wirklich nicht überzeugen und auch ausgesprochene Rätselfans sollten sich dem Titel nur mit Vorsicht nähern. Wen das Thema Utopie und Dystopie aber ohnehin interessiert, kann hier vielleicht ganz neue Gedankengänge kennenlernen und einmal zumindest ansatzweise das Gefühl bekommen, in einer so "perfekten" Welt zu leben. Eine solche Erfahrung, kombiniert mit einem recht guten Krimi, macht das Spiel durchaus kaufenswert.

(12.12.2007)

 

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