Pariah

Pariah

(Hip Interactive)

Geschrieben von Bernd Wolffgramm

 

Digital Extremes ist die Firma, die der Welt einige der besten Computerspiele aller Zeiten gebracht hat, in allererster Front sind dort die Unreal- und Unreal Tournament-Spiele zu nennen, allesamt Egoshooter, die zu ihrer Zeit die Referenzen in Sachen Einzel- oder Mehrspieler-Shooter waren oder immer noch sind. Nun stellte Digital Extremes auf der E3 letzten Jahres Pariah vor und gewann damit gleich den Titel des wohl verheißungsvollsten Action-Spiels. Jetzt ist das Spiel fertig und steht in den Läden. Auf dem Waschzettel, der dem Presseexemplar beigepackt war, wird mit Erfindungsreichtum und Superlativen nicht gespart. Dort gibt es markige Sprüche wie "Shooter-Doc auf Hausbesuch" oder "Doktor Mason lädt zur feuergewaltigen Sprechstunde".

Die Shroud-Kriege sind lange vorbei

Nachdem die Menschen gegen die Shroud gewonnen hatten, sahen sie sich an, was ihnen noch geblieben war. Es gab noch ein paar befestigte Städte, weite Teile der Erdoberfläche waren aber nun unbesiedeltes Ödland. Doktor Jack Mason ist Arzt und arbeitet als solcher in einem Gefängnis. Eines Tages bekommt er den Auftrag, einen Krankentransport zu begleiten. Die von einem Virus befallene Karina J. soll zu einer Quarantänestation verlegt werden. Der fliegende Krankentransporter, in dem der Cryobehälter mit der befallenen Frau steht, kommt jedoch nicht weit. Entgegen der Aussage seine Chefs, Mason brauche sich um die Sicherheit des Flugs keine Gedanken zu machen, wird der Transporter schon kurz nach dem Start durch eine Rakete, die aus dem Nichts zu kommen scheint, abgeschossen und der Gleiter stürzt über dem Ödland ab. Wie durch ein Wunder überlebt Mason, ebenso wie seine Patientin. Doch noch ehe sie sich über ihre Situation klar werden können, werden sie von einer feindlich gesonnenen Horde, den Scavengern, angegriffen. Zwar kann Mason sich seiner Haut erwehren, aber er kann leider nicht verhindern, dass die Bösewichte Karina verschleppen. Und noch etwas anderes macht ihm Sorgen: Während des Kampfs ist er mit dem Blut von Karina in Berührung gekommen. Da er Arzt ist, wird ihm sehr schnell klar, dass auch er nun infiziert ist. Und so zieht er los, um Karina wieder zu finden und zu befreien, damit sie gemeinsam nach einer Lösung für ihr Infektionsproblem suchen können.

Jack Mason tritt nun eine Reise an, die ihn insgesamt durch 18 Singleplayer-Level führt. Es ist die klassische Geschichte: Ein Mann zieht aus, um die Welt zu retten und ballert dabei alles weg, was ihm vor die Flinte kommt. Auf seiner Tour kommt er in viele verschiedene Gebiete seiner tristen Erde, er muss sich durch scheinbar undurchdringliche Wälder schlagen, über steppenartige Weiten fahren und sich durch festungsgleiche Fabriken kämpfen. Einmal gerät er sogar in einen Gefängnisaufstand und die Tatsache, dass die Flüchtigen ihn nicht als ihren Alliierten ansehen, macht das Weiterkommen für Mason nicht einfacher. Bald schon findet er Karina wieder, doch immer wieder werden sie getrennt, sei es dadurch, dass Karina etwas paranoid ist und deswegen gern mal durchdreht und einfach wegläuft, oder weil fremde Mächte sie wieder und wieder in ihre Gewalt bringen. Jack Mason trotzt all diesen Unwägbarkeiten und stellt sich allen Feinden in den Weg, seien es nun gemeine Fußsoldaten oder aber schwer bewaffnete Level-Bosse. Pariah ist definitiv ein Action-Shooter reinsten Wassers.

Im Arztkoffer von Jack Mason

... befinden sich die klassischen Instrumente der Egoshooter-Chirurgie. Zu Beginn des Spiels verfügt man nur über ein Sturmgewehr, hier Bulldog genannt, es ist aber ausreichend, um mit den leicht bewaffneten und schlecht gepanzerten Feinden der ersten Level zurechtzukommen. Schnell gesellen sich das Fraggewehr und der Granatwerfer hinzu, ausgerüstet mit diesen Waffen könnte man das Spiel überstehen. Natürlich kann dann im weiteren Verlauf des Games auch nicht auf ein Scharfschützengewehr und einen Raketenwerfer verzichtet werden. Die wirkliche Innovation des Spiels auf der Waffenseite ist aber der Plasmawerfer, eine Waffe, die in den höheren Leveln der Bulldog die Position als Allroundwaffe abläuft, weil diese Energiewaffe nicht nur eine höhere Feuerkraft besitzt, sondern auch über die sinnvolleren Upgrades verfügt.

Alle Waffen können gemoddet werden, das heißt, ihre Qualitäten können noch erweitert werden. Für jede Waffe sind drei Upgrades vorgesehen, darüber, ob man eine Modifikation einbauen kann oder nicht, entscheidet die Fähigkeit des Spielers, im Game Energiekerne aufzustöbern und mitzunehmen. Beispielsweise seien hier die Mods für das Snipergewehr genannt: Sichtverstärker, erweitertes Magazin und rüstungsbrechende Munition. Die Idee mit dem Aufrüsten der Waffen ist nicht neu, wird in Pariah aber wirkungsvoll eingesetzt. Immer dann, wenn es einen neuen Feindtyp gibt, kann man mit einem Upgrade auf dessen neue oder veränderte Fähigkeiten reagieren.

Jack Mason muss auf seinem Weg weite Entfernungen zurücklegen, da er immer wieder auf die neue Position seiner Zielperson reagieren muss. Sehr viele dieser Strecken legt er zu Fuß zurück, aber ab und zu gelingt es ihm, sich ein Fahrzeug anzueignen. Häufig ist Mason auf einem Wasp unterwegs, einer Art Kampfmotorrad, es gelingt ihm im Spiel ein paar Mal, seinen Feinden dieses Vehikel zu entreißen. Manchmal reist er aber auch schwerer, entweder in einem Bogie, das ist ein Militär-Buggy mit einer sehr durchschlagenden Bordkanone, oder in einem Dozer, einem sehr schwerfälligen Panzerfahrzeug.

Jack Mason, play the game!

Kann es sein, dass es immer noch Leute gibt, die nicht wissen, wie ein Egoshooter gespielt wird, was seine Hauptbestandteile sind und wie die spielrelevanten Informationen auf dem Bildschirm dargestellt werden? Pariah verzichtet bei der Darstellung zum Glück auf Schnickschnack wie ein Radar, ein Zielleitsystem oder der Aufteilung der Lebensfaktoren in Schutzschild- und Gesundheitsanzeige. Bei einem First Person Shooter geht es im Wesentlichen um zwei Faktoren: um das Überleben und das Töten. Und genau die dafür wichtigen Informationen werden angezeigt, mehr nicht.

Es gibt eine Gesundheitsanzeige, die in eine vier-, bzw. nach einem Upgrade in eine fünfteilige Statusleiste aufgeteilt ist. Wird der Spieler getroffen, werden im ersten Teilbereich einige Prozent der Anzeige abgezogen. Wird Mason nicht noch häufiger getroffen, regeneriert sich die Gesundheit wieder von allein, bekommt er noch mehr Treffer, dann verschwinden nach und nach die fünf Teile der Anzeige. Ist ein solcher Teilbereich ganz erloschen, dann kann er nur noch durch eine Infusion aus dem Heilungsgerät, das Mason immer bei sich trägt, gerettet werden. Pariah ist definitiv kein Game, in dem der Spieler oft stirbt, es ist eher sehr human. Weniger human ist der Schaden, den Mason mit seinen Waffen anrichtet und deren Informationen er für die aktuelle Waffe stets auf dem Bildschirm hat. Im HUD werden der Gesamtmunitionsbestand und die Magazinbefüllung der derzeit benutzten Waffe angezeigt. Beide Informationen sind wichtig, denn im Spiel wird sehr viel und mit sehr hoher Auswurfquote geschossen.

Eine nette Innovation, das so genannte Waffenmenü, wurde endlich wieder mal in einem Game implementiert. Bis jetzt ist man es von Egoshootern im PC-Bereich immer gewohnt, dass man eine Waffe durch das Drücken einer Taste oder durch Durchschalten aller Optionen auswählt. In Pariah gibt es noch eine Möglichkeit. Der Spieler kann eine Taste drücken und dann erscheint in der Mitte des Bildschirms ein Menü, auf dem alle Waffen abgebildet sind und die gewünschte Waffe kann mit der Maus ausgewählt werden; hier werden auch die Upgrades installiert. In Bruchteilen von Sekunden können so die Waffen gewechselt werden.

"Du siehst gut aus, Karina!" "Was sagst du? Ich kann dich kaum hören"

Das Spiel wurde mit einer Ausbaustufe der Unreal-Engine programmiert, dazu die Havoc-Physik-Engine, man kann also erwarten, dass die physikalischen Grundlagen stimmen, und dass sie auch gut von der Grafik wiedergegeben werden. Die Level sind sehr abwechslungsreich, die Grafik und die Hintergründe lassen nie die Idee aufkommen, hier würde sich irgendetwas wiederholen. Alle Missionen spielen in einer eigenen Umgebung, Langeweile wegen einer eintönigen Gestaltung der Texturen und Hintergründe wird nicht aufkommen. Besonders dann, wenn der Spieler von außen auf große Gebäude zugeht, möchte er innehalten und erst einmal die Aussicht genießen. Die maximale Auflösung beträgt 1280x1024.

Über den Sound gibt es nur wenig zu berichten, die Lautstärke für Sprache, Effekte und Hintergrundmusik lässt sich separat regulieren, was vor allem für Letzteres wichtig ist, da man sie schnell ganz abstellen wird. Bei der Musik handelt es sich zwar nicht um aufdringliche Rockmusik, sondern sie ist eher dezent, dafür aber ziemlich eintönig. Die deutsche Übersetzung der Texte ist gut gelungen, der Spieler hat nie den Eindruck, als ob das Game synchronisiert worden ist. Es ist möglich, 3D-Sound zu aktivieren.

"Spiel' du mit mir, Karina!"

Dass Pariah stark verwandt ist mit Unreal Tournament, zeigt sich im Multiplayermodus. Sei es nun LAN- oder Internetplay, alle positiven Eigenschaften des Spiels (Waffenauswahl und -Upgrades, Fahrzeuge etc.) wurden in diese Sektion übertragen. Die Grafik ist im Multiplayermodus genauso nett wie im Spiel gegen den Computer. Und alles, was Unreal Tournament so einzigartig macht, ist hier auch vertreten.

Es gibt vier verschiedene Mehrspielersysteme: Deathmatch, Team-Deathmatch, Capture the Flag (hier liebevoll 'Flagge erobern' genannt) und Frontalangriff. Auf insgesamt 21 Multiplayerkarten (plus drei Geheimkarten) kann man sich austoben. Ohne allzu viel der Endwertung vorwegzunehmen: Pariah im Singleplayer-Modus wird man vielleicht zwei- oder dreimal spielen, im Multiplayer-Modus hätte es das Potenzial, sich wie UT zu entwickeln, wenn denn genug Power hinter dem Publisher stehen würde. Da habe ich allerdings meine Zweifel. UT hatte mit DE/Epic/Atari doch ein viel mächtigeres Paket im Hintergrund als Pariah mit DE/Groove/Hip Games. Das zeigt sich auch ein wenig an den zur Zeit verfügbaren MP-Servern, an mehreren Tagen in den Hauptspielzeiten waren in Europa vielleicht pro Spielmodus fünf bis zehn Server online. Aber das kann noch werden.

"Jack, ich habe unsere Karten verloren." "Macht nichts, Karina, dann erstellen wir uns eben Neue."

Eine Stärke von Pariah ist der extrem leicht zu bedienende Map-Editor. Ein simples Drag-and-Drop-System sorgt dafür, dass es wirklich jedem vergönnt sein wird, eigene Level zu erstellen. Es wird dem Spieler wirklich ganz leicht gemacht, alles ist er- und einstellbar: Landschaften, Gebäude, Wetter, Belichtung, Farben und vieles mehr. Und diese Karten sind dann nur 56KB groß, also leicht zu verteilen. Und wem dieser Editor zu leicht ist, auf der Pariah-CD ist außerdem auch noch der gute alte UnrealEd vorhanden, nur heißt er eben Pariah Ed. Das lässt zumindest die Vermutung aufkommen, dass Karten von UT und Pariah ausgetauscht werden können.

"Ey, du miese *piep*, ich *piep* dir den *piep* auf"

Ja, es ist wahr, das Spiel ist in der deutschen Version wieder einmal zensiert worden, es gibt drei Änderungen gegenüber der ursprünglichen Version: Nach einer bestimmten Zeit lösen sich getötete Gegner auf und niedergestreckte, am Boden liegende Feinde können nicht mehr durch Beschuss durch die Level bewegt werden. Außerdem gibt es kein Blut. Auf DLH.Net gibt es allerdings auch schon einen Dezensierungs-Patch.

Fazit

"Pariah ist einer der besten Egoshooter, den ich jemals gespielt habe. Der Singleplayer-Modus ist abwechslungsreich und farbenfroh, die Waffen sind genau richtig ausgelegt, die Gegner-KI ist (auf der höchsten Spielstufe) gigantisch, eine bessere wurde noch nicht gesehen. Endlich laufen die Computergegner dem Spieler nicht mehr blindlings hinterher, sie verstecken sich und sind schwer zu besiegen. Die Aufgaben im Spiel sind vielfältig, aber man verzweifelt nicht an ihnen. Es ist sehr gut, dass im Spiel mehr Wert auf das Fortkommen im Game gelegt wird als auf die eigene Lebenserhaltung, die Idee mit dem Heilungsgerät ist sehr nett. Das Einzige, was etwas merkwürdig anmutet, ist die Story. Sie ist nur sehr schwer nachzuvollziehen. Der Multiplayer-Modus erfüllt alle Erwartungen, die der Aufdruck Unreal-Engine auf der Packung erweckt. Vielfalt und Technik sind ungeschlagen, die Neuerungen von Pariah wurden schön in die MP-Engine integriert. Der Karteneditor ist sehr leicht zu bedienen, die daraus entstandenen Maps sind nur 56KB groß und leicht zu verteilen."

Dann wäre da der Egoshooter-Experte, der schon 50 Singleplayer-Shooter gespielt hat und der in den Credits von mindestens der Hälfte dieser Games erwähnt wird, weil er hier Betatester war. Er ist der absolute Experte, er hat schon alles gesehen. Er würde Pariah so beschreiben:

"Pariah ist wieder eins dieser Spiele, die sich im gehobenen Mittelfeld der Branche ansiedeln werden. Grund dafür ist, dass dies wieder ein Spiel ist, das absolut keine Neuerungen bringt, weder in spieltechnischer oder grafischer Sicht noch im Spielablauf, es ist alles schon Mal da gewesen. Außerdem tut es weh, zu sehen, wie wieder ein verheißungsvolles PC-Spiel an den Anforderungen an eine Konsolenversion gescheitert ist. Alles, was einen FPS ausmacht, z. B. die Zielgenauigkeit der Schüsse, Schleichelemente und Kampfverhalten, sind für das Bestehen des Games nicht nötig. Dafür bekommt man ein automatisches Zielsystem, ein Speicherpunktsystem und eine völlig verquere Geschichte, die gegen Ende des Spiels nicht einmal mehr nachvollziehbar ist. Für mich ist das Spiel zwar alles in allem okay, aber ein Leichtgewicht."

Nun also der Versuch, die beiden Stellungnahmen unter einen Hut zu bringen: Pariah ist definitiv einer der besten Egoshooter der letzten Zeit und wenn man Pariah schon mit anderen Spielen vergleichen will, dann ist es auf jeden Fall besser als Doom 3. Will man also an dem Spiel herumnörgeln, dann tut man dies auf sehr hohem Niveau. Nun ist es aber so, dass die beiden Platzhirsche der Branche, Half-Life 2 und FarCry, nun schon vor einiger Zeit erschienen sind, also muss sich Pariah auch ihnen stellen und wird dabei verlieren. Pariah ist die gute Nummer Drei und damit immer noch besser als viele andere Games.

(23.05.2005)

Systemvorrausetzungen

- Pentium 4 mit 1,4 Ghz

- Windows 98 / SE / 2000/ XP

- 256 MB RAM

- GeForce 3 (32 MB), GeForce MX wird nicht unterstützt

- 4-fach CD-ROM-Laufwerk

- 2 GB freier Festplattenplatz

- Maus und Tastatur

 

Entwickler: Digital Extremes, Groove Games
Publisher: Hip Interactive
Genre: Action-Shooter
Releasedate: Bereits im Handel
Homepage: Groove Games Pariah
Preis: 49,99€
Altersfreigabe:  Keine Jugendfreigabe gemäß §14 JuSchG

Kommentare zu diesem Artikel


Fazit


Für dieses Spiel ein zu schreiben ist gar nicht so einfach, vor allem, wenn man herausfiltern möchte, wer wohl dieses Spiel mögen wird. Lassen wir also beide Gruppen von Spielern zu Wort kommen, die auf Pariah treffen könnten.
Da wäre zunächst der Spieler, der gern Egoshooter spielt, neben dem PC noch mehrere Konsolen besitzt und so oft es geht, zockt. Sein würde in etwa so ausfallen:


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