God Hand

God Hand (PS2)

(Capcom)

geschrieben von Nico Meißner

 

 
Entwickler: Clover Studios
Publisher: Capcom
Genre: Action
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: God Hand
Preis: 45 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG

Während alle Welt auf die Playstation 3 wartet, entwickeln mutige Studios wie Clover tapfer weiter Spiele für die betagte Playstation 2, auch wenn die letzten Kompatibilitätsprognosen ja alles andere als rosig waren. Mit "God Hand" bringen die Macher von "Resident Evil" und "Viewtiful Joe" ein sehr actionreiches Beat ´em Up mit abgedrehtem Setting. Eine Einschätzung, ob es sich lohnt, mit Protagonist Gene und 100+ Techniken den Kampf gegen dämonische Gegner aufzunehmen, hat DLH.net mit viel Körpereinsatz für euch rausgeschlagen.

Das Händchen Gottes

Die Hintergrundgeschichte von "God Hand" ist so eigenartig wie fantastisch: Das junge Ding Olivia ist das letzte Mitglied ihrer Familie, die seit Ewigkeiten die sogenannte God Hand behütet hat. Böse Mächte suchen nach der übernatürlichen God Hand und haben Olivias Familie deshalb gejagt, bis sie schließlich die letzte Hüterin ist. Als die junge Dame doch von den Schergen der Dämonen geschnappt worden ist, kommt ihr der Vagabund und Draufgänger Gene zu Hilfe. Leider sind die Handlanger der vier Devas durch ihren Pakt mit dem Bösen mit übermenschlicher Stärke und Zähigkeit "gesegnet"; sie trennen Gene kurzerhand den rechten Arm ab, aber immerhin kann Olivia entkommen. Als der Held wieder aufwacht, hat sie ihm – halb zum Dank, halb zum Schutz des Relikts – besagte God Hand als Ersatz für den verlorenen Arm geschenkt. Nun gilt es, mithilfe dieses uralten Artefakts, den Devas mal gehörig die Leviten zu lesen. Bei ihnen handelt es sich nämlich um vier besonders mächtige Dämonen, die mit den Menschen ihr Spiel treiben und das ganze Land terrorisieren. Sie alle sind wiederum Diener des gefallenen Engels Angar, dem Erzbösewicht. Zwar würde das den eher egoistisch veranlagten Gene alles wenig interessieren, doch da die gute Olivia kein Unrecht ertragen kann und die Bad Guys ja hinter der Hand her sind, wird er immer weiter in den Kampf gegen die Dämonen hineingezogen.

Die Welt, in der Gene und Olivia umherreisen, entpuppt sich als bizarre Mixtur aus "Wild Wild West", "Dragonball", "Street Fighter" und "Batman". Klingt völlig abgedreht? Richtig! Denn während anfangs alles im Western-Look daherkommt, prügelt man sich später zum Beispiel auch vor Zirkuskulissen oder mit riesigen, insektoiden Robotern. Dazu wirken die Charaktere, die heroisch-übertriebenen Moves und der ganze Stil – wie die vielen übernatürlichen Elemente – des Spiels sehr manga-artig; skurrile, teils schon alberne Gegner, die Minigames und der freakige Humor erinnern wieder eher an "Batman". Nichtsdestotrotz wirken Setting und Set wie aus einem Guss, und die verschiedenen Thematiken der Levels sorgen für viel (optische) Abwechslung.

Held Gene wird nach seinem Erwachen mit der neuen Hand mittels des linken Analogsticks bewegt. Der rechte Stick dient zum Vollführen von Manövern wie dem seitlichen Ausweichen, Ducken und Rückwärts-Flickflack. Mit den "Geometrie-Tasten" (hey, wie heißen die Dinger richtig?), also Dreieck, Kreis und so weiter, werden Schläge, Tritte und andere Angriffe angebracht. Dabei zeigt sich auch gleich eine neuartige und sehr komfortable Eigenschaft von "God Hand": Alle diese Tasten lassen sich nämlich vom Spieler frei mit Moves belegen. Das heißt, gegen Ende des Spiels lässt sich zwischen unschlagbaren 114 Techniken wählen, die den Tasten zugeteilt werden können. Bevor jetzt aber jemand die mathematische Diskrepanz zwischen 114 Moves und vier Tasten erwähnt, sei ein weiteres, ganz elementares Feature erklärt: die Kombo. Bei der Kombo handelt es sich um eine Abfolge von Angriffen, die durch wiederholtes Drücken der Quadrat-Taste ausgeführt wird. Anfangs noch auf drei aneinanderreihbare Techniken begrenzt, ermöglicht sie später das Kombinieren von bis zu sieben Moves. Mit den beiden rechten Schultertasten kann die göttliche Energie, genannt Spannung, abgerufen werden, um die God Hand zu aktivieren oder einen vernichtenden Special-Move zu starten.

Auf`s Maul – aber wie?

Schon zu Beginn steht der Spieler vor der Qual der Wahl, welche Attacken er denn den Schuften entgegensetzen möchte: Angefangen beim einfachen Jab, Haken oder Highkick, umfasst das Repertoire vielfältige Varianten von Schlägen und Tritten. All diese Techniken unterscheiden sich gut voneinander, sowohl optisch als auch vom Schaden, der Geschwindigkeit und ihren Zusatz-Effekten her – und davon gibt es eine ganze Menge. Feinde können zum Beispiel weggestoßen, hochgeschleudert oder betäubt werden. Diese "Nebenwirkungen" gewisser Moves – nicht alle können mit so was aufwarten – spielen eine sehr wichtige Rolle, da hochgeschleuderte oder am Boden liegende Gegner mit allerlei weiteren Spezialbehandlungen bedacht werden können. So kann man weitere Treffer anbringen oder auf dem Daniederliegenden herumtrampeln. Dies ist allerdings auch mehr als nötig, denn die Widersacher haben es in sich: Neben jeweils eigenen Special-Moves und regulären Techniken unterscheiden die sich nämlich auch wieder in Sachen Zähigkeit, Stärke und Geschwindigkeit. Besonders letztere kann oft ausschlaggebend sein, da sie die Chancen des Gegners, seine Deckung hochzunehmen, maßgeblich beeinflusst. Auch die eigenen Möglichkeiten, was Ausweichen und Ähnliches angeht, hängen natürlich damit zusammen. Neben der Flinkheit ist die Masse und Größe des Kontrahenten ein entscheidender Faktor: Ein korpulenter Gegner ist wesentlich schwieriger umzuhauen oder gar in die Luft zu befördern als ein normal proportionierter. So verlangt fast jeder Feind-Typus eine spezielle Vorgehensweise in Form von bestimmten Techniken oder Taktiken.

Doch der Held wäre kein Held, wenn er nicht noch ein paar Asse im Ärmel respektive in der Hinterhand hätte. Verursacht er Schaden, oder provoziert er Gegner (mittels L2-Taste), füllt sich die schon erwähnte Spannungsanzeige. Ab einem gewissen Maß, etwa zwei Drittel, ist die God Hand einsatzbereit. Wird sie aktiviert, leuchtet sie grell auf, die Musik wird aggressiver, eine Art Raserei beginnt: Gene teilt für kurze Zeit richtig heftig aus, ist unverwundbar und dämonisch schnell. In dieser Zeit sinkt die Spannung rapide ab, bis etwa bei einem Drittel der göttliche Kampfrausch wieder endet. Aber das ist noch nicht alles, was Freund Gene an Übernatürlichem im Repertoire hat: Über zufällig zurückbleibende Karten aus Kisten und besiegten Gegnern sammelt er sogenannte Roulettekugeln. Diese ermöglichen mächtige und spektakuläre Special-Moves; von der Wurftechnik über den Fernkampfangriff bis hin zu Flächenattacken ist alles möglich. So unterscheiden sich die Roulette-Techniken ebenfalls deutlich voneinander und machen optisch als auch vom Schaden einiges her. Mit diesen Specials ist der Spieler in der Lage, ein Vielfaches des gewöhnlichen Schadens in kurzer Zeit auszuteilen, was besonders bei den teilweise knackig schweren Zwischen- und Endgegnern unabdingbar ist. Außerdem kommt es gelegentlich vor, dass die dämonischen Seelen der besiegten Handlanger nach deren Tode hervortreten! Dann bekommt die Welt einen albtraumhaft-düsteren Look, der Himmel verdunkelt sich, die Wolken rasen am Firmament, über allem liegt plötzlich ein bedrohlicher lila Schleier. Diese Optik hält an, bis der "freie" Dämon vernichtet wurde. Doch die Biester sind verdammt zäh und nerven durch ihre Teleportationsfähigkeit und den immensen Schaden, den sie verursachen. Ist ein solcher Seelenfeind erst mal besiegt, gibt es aber immerhin direkt eine besondere Belohnung in Form einer kleinen Schatztruhe. Diese enthält eine neue Technik für den Charakter oder wenigstens mehrere Hundert Goldtaler. Die Techniken können übrigens praktischerweise im Pause-Menü jederzeit umgelegt und getauscht werden, sodass man sich sofort auf neue Gegner oder Techniken einstellen kann.

Einsamer Cowboy

Also ziehen Gene und Olivia fortan durchs namenlose Land, um sich schließlich bis zu Angars Turm vorzuarbeiten. Dieser Weg führt durch sieben Levels, die in je sechs Unterabschnitte geteilt sind. Wie schon erwähnt, bieten sich dem Spieler auf der Reise verschiedenste Kulissen und Szenarien. Die Levels greifen nämlich diverse Thematiken als Hintergrund auf und liefern, trotz des linearen Aufbaus, viele Überraschungen sowie kleine Scherze und Gimmicks. So erzeugen sie eine dichte und ziemlich abgedrehte Atmosphäre. Zwar lassen die meisten Abschnitte dem Spieler kaum Wahlmöglichkeiten, was den Weg oder die Überwindung von Hürden angeht, dafür sorgen immer neue Gegnertypen regelmäßig für frischen Wind: Denn außer den jeweiligen Stärken warten die Handlanger auch mit unterschiedlichen Animationen und Verhaltensweisen auf. Zum Beispiel werfen in Zauberergewänder gehüllte Ladies ihren klingenbewehrten Hut nach dem guten Gene. Nach ein paar Treffern täuschen sie dann aber gern das arme Ding vor – heulend und am Boden kauernd, nur, um den Helden wieder in ihre Reichweite zu locken. Insgesamt sind besonders die teils skurril bewaffneten Schurken die gefährlichen Standard-Gegner, da sie eine größere Reichweite haben und mehr Schaden verursachen. Dafür kann Gene meistens eine dieser Waffen von den besiegten Feinden aufsammeln, um sie für eine kurze Zeit ihren eigenen Stahl schmecken zu lassen.

Gerade die angesprochene Reichweite bietet dabei den deutlichsten Vorteil, denn simples Draufhauen bringt bei "God Hand" auf Dauer wenig. Abgesehen vom fordernden Schwierigkeitsgrad verhindert das zumeist clevere Verhalten der Gegner ein solch tumbes Vorgehen. Ohne eine gut abgestimmte Kombo und reflexstarkes Ausweichen geht also schon mal gar nichts. Auch die Beherrschung des richtigen Timings für die Moves und besonders für die Konter-Techniken ist im späteren Spielverlauf unabdingbar. Denn wenn Gene den Feinden genau in die Attacke schlägt oder tritt, katapultiert man sie mit einem lauten "Pow!" davon. Das sorgt auch für die nötige Zeit, um den Rest der meist in Gruppen auftretenden Schufte zu behandeln oder einen geordneten Rückzug zum nächsten Item anzutreten. Diese Items sind beispielsweise Fässer, Blumenkübel oder Sonnenschirme, die Gene den Gegnern an den Kopf werfen kann. Egal, ob am Schädel anderer Leute oder durch Genes Hand zerbrochen, die Gegenstände bergen häufig die bereits angesprochenen Karten, Lebensenergie in Form von Obst oder andere Boni.

All die kleinen Hilfen und Waffen kommen aber auch nie zu früh: Kaum ein Level ist auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad ohne Heldentod zu bewältigen. Genau genommen gibt es sogar am Schluss nach jedem Endgegner Gold für weniger als 15 Ableben, gerettete Bürger und weiteres. Wozu das Gold, wenn Freund Gene mit seiner übermächtigen God Hand unterwegs ist? Nun, abgesehen vom Anfangsrepertoire wollen die über 100 Techniken größtenteils für bare Münze gekauft werden. Das geschieht in der Stadt, welche sich auf einer Insel vor der Küste des zu befreienden Kontinents befindet. Hier gibt es einen Shop, in dem Moves, Roulette-Tricks und Specials wie ein erhöhtes Lebensmaximum feilgeboten werden. Auch der Verkauf von ungenutzten Techniken ist möglich. Weiterhin bietet die Stadt noch ein Kasino sowie eine Trainings- und Herausforderungsarena. Im Kasino kann der Spieler Blackjack und Video Poker zocken oder sich am einarmigen Banditen versuchen. Die vor edler Kulisse angehäuften, immensen Gewinne sind zur Finanzierung der Einkaufstouren im Shop allerdings auch wirklich nötig. Ansonsten bringt das Kasino – außer etwas Zerstreuung und Abwechslung vom harten und Daumen malträtierenden Heldenalltag – nicht viel. Zwar erhöhen sich die Limits der Tische und Automaten mit dem Spielfortschritt, doch ist es insgesamt eher trist und wenig spektakulär. Auch die Geschenk-Tickets, die der Bandit ab und zu ausspuckt und die ulkigen Chi-Hua-Hua-Rennen können daran leider nichts ändern. Allerdings gilt dies auch für den Rest der Stadt.

Einzig die Arena sorgt noch für Auflockerung – oder auch Frustration. Während der Trainingsbereich praktischerweise das Ausprobieren aller im Shop angebotenen Moves vor dem eventuellen Kauf ermöglicht, winkt bei den Herausforderungen wieder knallharte Action. Dort warten 50 spezielle Kämpfe auf den Spieler. Dabei variieren die Umstände von Fight zu Fight stark: Lebensenergie, Roulettekugeln, Zeitbegrenzung und Gegnerzahl, um nur einige zu nennen, ändern sich bei jeder der Herausforderungen. Auch schon besiegte Endgegner oder spezielle Zwischenspielchen wie das Zerdeppern eines schönen Neuwagens sind hier zu finden. Diese Art von Kämpfen kommt übrigens auch in den Leveln gelegentlich auf. Alle paar Abschnitte trifft Gene nämlich in abgelegenen Ecken auf eine kleine Dämonen-Fee. Sie hat ihren Spaß daran, dem Helden Aufgaben zu stellen, gewährt als Belohnung allerdings lediglich einen Batzen Geld und spielt so leider keine große Rolle. Dafür sind neue Moves umso wichtiger und bieten, neben den verrückten Widersachern, auch die meiste Abwechslung und Langzeitmotivation.

Technik

In technischer Hinsicht beeindruckt "God Hand" vor allem durch die facettenreiche und passend eigenartige Musik. Fast in jedem Levelabschnitt gibt es andere Instrumentale, die weder aufdringlich noch nervtötend sind. Auch die abrupten Wechsel beim Erscheinen eines Dämonen oder Aktivierung der God Hand sind gut gelungen. Leider setzt sich diese hohe Qualität bei der Grafik nicht fort: Die meisten Texturen von Böden und Wänden sind matschig und einfach hässlich. Zusammen mit der geringen Detailmenge wirken die Levels dadurch leider häufig recht trist und leblos – dafür sind die Figuren dann wieder schön anzuschauen und sehr gut animiert. Allerdings weist "God Hand" auch noch einen nervigen Grafikfehler auf. Steht der Spieler nah an einer Wand und dreht sich, kann er häufig auf dahinterliegende Räume oder hässliche, leere Areale blicken. Dieses Durchscheinen der Wand geht zu allem Überfluss noch mit einem Flackern einher, was das Ganze in manchen Leveln wirklich störend werden lässt, obwohl es dem Spielspaß insgesamt keinen echten Abbruch tut. Ebenso kommt das Spiel ohne Blut oder andere extreme Gewaltdarstellung aus, wie man es aus anderen Prügelspielen kennt.

Neben den gelungenen Figuren glänzt "God Hand" optisch auch bei den Effekten: Gute Treffer oder der God Hand-Einsatz werden mit Verschwimm- und Verwisch-Effekten unterstrichen, die sich ausgezeichnet in den überdrehten Stil einpassen und manchem Move auch erst das gewisse Etwas geben. Ansonsten fallen noch die Zwischensequenzen, die die Story vorantreiben, positiv auf, da sie anständig gemacht und exzellent vertont sind. Allerdings leidet der Spieler hierbei unter der nicht vorhandenen Synchronisation, vor allem, wenn er sich mit den miserablen deutschen Untertiteln rumschlagen muss – insofern ist es vielleicht sogar ganz gut, dass das Spiel akustisch im Originalzustand belassen wurde ... Noch ein Wort zur Kamera: Schlecht. Die Kamera ist bedauerlicherweise einfach blöd gemacht, da man sie in keiner Weise verstellen kann. Somit schwenkt sie immer langsam in Blickrichtung der Figur, was besonders unter beengten Kampfverhältnissen schnell zum verwirrenden Ärgernis wird. Lediglich die 180-Grad-Wende mittels L1-Taste verschafft ein wenig Linderung.

Fazit

Resümierend gefällt "God Hand" für ein genrebedingt eher einseitiges Beat `em Up doch sehr gut. Neben dem komplexen und durchdachten Kampfsystem mit seinen über 100 Techniken und Specials besticht das Spiel durch seine vielen fordernden und abwechslungsreich entworfenen Gegner. Besonders End- und Zwischengegner verlangen meist eine ausgefeilte Taktik und mehrmaliges Versuchen. Auch die Herausforderungen bieten einiges an Spaß und verhindern mit den anderen Kleinigkeiten wie dem Kasino Langweile und Eintönigkeit während der mindestens 25 Stunden Spielzeit. Damit hat "God Hand" gerade für ein PS2-Spiel ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis und einen der sicherlich abgedrehtesten Stile. Zusammen mit den anderen Faktoren erhält man so ein hervorragendes Action-Spiel, dem eigentlich nur ein Multiplayer-Mode fehlt.

(04.04.2007)

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