Alienware Alpha

Das übliche Problem: Da ist das Wohnzimmer gerade frisch im Stile der Bathöhle eingerichtet worden und schon steht der geneigte Spieler vor der Gewissensfrage: Auf dem supernagelneuen 70"-TV spielen und das schicke Design durch Computer und Unmengen an Kabeln in Dr. Fu Man Shus Labor verwandeln, auf eine Spielekonsole mit all der inhärenten Inflexibilität zurückgreifen oder aber zähneknirschend nur Fernsehen gucken? Ein Hardcore-Zocker wird sich wohl kaum auf letztere Möglichkeit einlassen, also bleiben nur erstere Optionen übrig. Beide Varianten haben ihre unbestreitbaren Vor- und Nachteile. Alienware macht sich nun auf, die Vorteile beider Systeme zu kombinieren, ohne allzu viel von den Nachteilen zu übernehmen. Wie gut dies gelungen ist, wird dieser Testbericht beleuchten.

 

(Für den Test stand die kleinste Version der Alienware Alpha zur Verfügung, mit 500-GB-HDD, Core-i3-Prozessor und 4 GB RAM. Es stehen insgesamt vier Grundkonfigurationen, unter anderem mit einem Core-i5- und einem Core-i7-Prozessor, zur Verfügung. Nähere Informationen dazu im Alienware Onlinestore http://www.dell.com/de/p/alienware-alpha/pd)

 

"Tritt nicht auf den grünen Stein, es könnte eine Alienware Alpha sein!"

 

Jedes Spielesystem hat irgendwo einen Nachteil. Der Gaming-PC kommt mit einer Unmenge Kabeln daher. Die Spielekonsole ist meist eingeschränkt in der Vielfalt. Ein Laptop ist teuer und verliert seine Beweglichkeit, sobald er an den heimischen Fernseher gestöpselt ist. Alienware versucht hier nun den Spagat zwischen PC und Spielekonsole zu schaffen, indem ein PC auf Konsolenmaße eingedampft wird.

 

Nun sind Mini-ITX-Systeme nicht wirklich neu, sondern durchaus alltäglich als platzsparende Office-PCs oder Maschinensteuerungen. Genauso sind sie in vielen Haushalten als Mediacenter zu finden. Der neue Ansatz, den Alienware mit der Alpha verfolgt, ist, ein hochintegriertes System zu schaffen, das möglichst wenige Zusatzgeräte benötigt und mit einem Gamepad komplett bedienbar ist, ohne die Flexibilität eines vollständigen PCs zu verlieren.

 

Entsprechend dem Spielekonsolenkonzept wird die Alienware Alpha nur mit einem Microsoft Xbox-360-Controller geliefert. Auch ansonsten sind die Äußerlichkeiten des Spielsteines eher spartanisch zu nennen. Leider verzichtet Alienware darauf, alle Anschlussmöglichkeiten eines PC nach außen zu führen und offeriert dem Anwender lediglich vier USB-2.0-Ports sowie einen Netzwerk-, einen HDMI- und einen optischen TOSLINK-Anschluss. Selbst so Kleinigkeiten wie einen Kopfhöreranschluss sucht man an der Alienware Alpha vergebens, genauso wie einen Schacht für Speicherkarten oder gar ein optisches Laufwerk. Letzteres kann zwar als Zubehör gekauft werden, jedoch verschenkt Alienware hier eine Gelegenheit, dem Spieler auch in der Konnektivität die Flexibilität eines PCs anzubieten und wird damit dem Konzept hinsichtlich möglichst weniger Zusatzgeräte wieder untreu. Entsprechend wird die erste Pflichtanschaffung mit der Alienware Alpha ein USB-Hub, da ansonsten die vier USB-Ports schnell zu knapp werden.

 

Das Design der Alienware Alpha ist schlicht, aber doch – nein, nicht geschmacklos – funktional. Eine kleine schwarze Box, die an der Vorderseite mit einem Hauptschalter und zwei USB-Ports aufwartet, aber ansonsten alle anderen Anschlüsse auf die Rückseite verbannt. Alienware-typisch gibt es noch die 0,5-%-LED-Kunst am Bau. Der Hauptschalter ist markentypisch in einen Alien-Kopf ausgebildet, und die vordere linke Ecke ist abgeschnitten und zu einem Dreieck geformt. Beides lässt sich illuminieren und nach Anwenderwunsch in Farbe und Helligkeit einstellen – ebenfalls Standard bei Alienware.

 

"Die inneren Werte"

 

Das erste Hochfahren der Alienware Alpha beschert ein Aha-Erlebnis. Während das System noch munter Windows 8.1 lädt, wird es zu einem Rätsel, wie denn die Konsole jetzt genau bedient werden soll. Dieses Geheimnis löst sich jedoch in dem Moment, in dem der Ladevorgang abgeschlossen ist. Alienware spendiert der Alpha eine eigene Benutzeroberfläche, die sich über das Standard-Windows legt. Alle Grundeinstellungen wie Bildschirmausgabe, Lautstärke oder LED-Steuerung sind mit dem Controller einfach und schnell zu erreichen. Hier fällt dann ebenfalls all denjenigen ein Stein vom Herzen, die sich schon mit einer fliegenden Netzwerkverdrahtung im Haus gesehen haben. Neben allen anderen Einstellungen findet man hier auch die WLAN-Anmeldung. Hauptzweck dieser Oberfläche ist es jedoch, Steam zu laden. Damit offenbart sich auch die nächste Lösung. Nämlich zu dem Rätsel, wie die Alienware Alpha ohne jedes Wechsellaufwerk zu ihren Spielen kommen soll.

 

Steam im Big-Picture-Modus ist ja bereits eine bekannte Größe und ist geradezu idiotensicher mit einem Controller zu bedienen. Egal, ob Neuling oder bereits bestehender Kunde bei Steam, schnell sind die ersten Spiele geladen und das Vergnügen kann losgehen. Hier glänzt die Alienware Alpha mit dem Grafikchipe GTX 860M von NVIDIA. Dieser war einer der ersten, der bereits über die neue Maxwell-Struktur verfügte, wenngleich sie noch im 28-nm-Verfahren gefertigt wird. Leider hat Alienware den Grafikspeicher gegenüber der Originalkarte begrenzt, und somit muss das Alpha-Modell mit nur 2 GB VRAM auskommen. Dennoch ist dies genug Power, um 90 % der Spiele in Full-HD-Auflösung und hohen Details zu spielen. Auch erwähnenswert: Weder der Speichertakt noch die Anzahl der Shader ist eingeschränkt. Es stehen also wirklich die angegebenen inneren Werte zur Verfügung.

 

Der eigentliche Flaschenhals bei der Test-Alpha sind hingegen der Core-i3-Prozessor und die 4 GB RAM. Wie in den Play-through-Videos zu sehen, ist die eigentliche Grafikleistung der Alpha mehr als ausreichend, sobald jedoch eine Mehrfachanforderung anliegt oder Speicheroperationen notwendig werden, merkt man schnell die Grenzen des Systems. So kann in den Play-through-Videos beobachtet werden, dass an Zellengrenzen, wenn neue Inhalte geladen werden müssen, der Prozessor mit den Aufgaben Spiel, Festplattenzugriff zum Laden  und Festplattenzugriff zum Speichern des Videos überfordert ist und die Framerate gnadenlos zusammenbricht.

 

Als Soundchip verwendet die Alienware Alpha einen der allgegenwärtigen Realtek-Ableger. Genauere Infos stehen leider nicht zur Verfügung. Wie bei jedem Onboard-Soundchip, verrichtet auch der "Krawallmacher" in der Alienware Alpha klaglos seinen Dienst. Probleme mit Streuungen oder Dämpfungen konnten während des Tests nicht festgestellt werden, was aber auch verwunderlich wäre, da alle Signale sowieso digital entweder über HDMI oder optischen TOSLINK ausgegeben werden. Allgemein kann gesagt werden, dass die Sound-Fähigkeiten in Ordnung sind, aber genauso darf man keine besonderen Einstellungen oder Besonderheiten neben den alltäglichen Equalizer-Optionen und DSP-Presets erwarten.

 

Die SATA-Festplatte mit 500 GB dürfte für einen normalen Spieler mit einer ausreichend schnellen Internetverbindung, die leider immer noch nicht flächendeckend in Deutschland verfügbar ist, genügen. Kritisch wird es, wenn der Anwender darauf angewiesen ist, den Download von Spielen möglichst zu beschränken. Spieler, die in betroffenen Gebieten Deutschlands wohnen und somit entweder Geschwindigkeitsbegrenzungen unterliegen oder auf volumenbegrenzte LTE-/Funkverbindungen angewiesen sind, dürften hier schon Platzprobleme bekommen. Hier ist es eben nicht möglich, kurz mal das eine Spiel zu löschen, um schnell das andere neu zu laden; und nachdem heutige Spiele geradezu opulent mit dem Festplattenplatz umgehen, ist schnell Schluss mit der Speicherkapazität.

 

Deathmatchlevel: Alpha vs. The Rest

 

Bislang unterscheidet sich die Alienware Alpha noch nicht wirklich von einer der bekannten Spielekonsolen. Was den kleinen schwarzen Ziegelstein jedoch gewaltig von seinen Mitbewerbern absetzt, ist der PC-Modus: Werden nämlich Steam und die AlphaUI genannte Alienware-Oberfläche beendet, gelangt der Anwender zurück in die altbekannte Windows-Anmeldung. Als nettes Beiwerk hat Alienware dem Controller-Treiber die Zusatzfunktion einer Mausemulation spendiert. Also auch ohne zusätzliche Maus und Tastatur ist das System in diesem Modus bedienbar.

 

Es gibt vier entscheidende Vorteile eines PCs gegenüber den gängigen Spielekonsolen, die Multifunktionalität mal ausgenommen:

1) Eine unüberschaubare Flut an Spielen aus mehreren Jahrzehnten.

2) Die Möglichkeit, Spiele mit Patches und Mods zu verändern.

3) Hardware austauschen und erweitern ohne Garantieverlust.

4) Hardware durch standardisierte Schnittstellen von vielen unterschiedlichen Herstellern verfügbar.

 

Genau durch diese Punkte unterscheidet sich die Alienware Alpha von anderen Konsolen. Genauso schnell wie an einem herkömmlichen PC ist beispielsweise "The Elder Scrolls V: Skyrim"; die Rollenspielreihe ist ja geradezu berühmt dafür, dass sie fast beliebig modifizierbar ist. Über den Internetbrowser können aus dem Skyrim-Nexus alle Lieblingsmodifikationen geladen und installiert werden (siehe hierzu auch das Play-through-Video). Wird der fast unvermeidliche Skyrim Script Extender als neues Benutzerprogramm in Steam eingetragen, so ist der Weg für das Spielvergnügen auch im Konsolenmodus frei.

 

Ein Umstand, der bei den diversen reinen Konsolensystemen immer wieder ein Ärgernis darstellt: Vielfach ist die Spielauswahl doch sehr eingeschränkt, da Hersteller meist nur dann für die diversen Konsolen entwickeln, wenn auch entsprechende Aufwandsentschädigungen von Seiten der Konsolenbetreiber fließen. Noch ärgerlicher ist, dass häufig schon ein einziger Generationssprung reicht, um diverse Spiele zu Staubfängern im Regal zu verdammen. Ganz zu schweigen von Klassikern, bei denen man sich jeden Versuch, diese zu spielen, gleich abschminken kann.

 

Hier zeigt sich die weitere Stärke der Alienware Alpha. Einerseits ist die Spieleauswahl für PC-Systeme unüberschaubar, und andererseits können ältere Spiele vielfach problemlos oder aber mit einigen Patches beziehungsweise Konfigurationen zum Laufen gebracht werden. Es gilt dasselbe Prinzip wie bei einem PC: Nur ganz wenige alte Spiele sind für immer verloren. So war es während des Tests kein Problem, Urgesteine wie "Dungeon Keeper II" oder "Uru: Ages beyond Myst: The Complete Chronicles" (im Play-through-Video zu sehen) zu installieren. Beides lief wie auf einem normalen PC ohne größere Schwierigkeiten und flüssig. Einzige Einschränkung: Diese Spiele waren selten für den Einsatz eines Gamepads ausgelegt, also ist der Anschluss einer Tastatur und Maus obligatorisch.

 

Als netter Nebeneffekt kann man dadurch die Alienware Alpha auch als durchaus ernstzunehmenden Computerersatz verwenden. Mit den mittlerweile allgegenwärtigen Smartkeyboards, also Tastenbrettern, die auch Mausfähigkeiten aufweisen, kann die Alienware Alpha problemlos bedient werden. Neben den Anwendungen, die man auch von klassischen Spielekonsolen kennt, etwa Internet, E-Mail, Chat, Skype oder Multimedia-Wiedergabe, kann die Alienware Alpha auch mal eben schnell für das Verfassen einer Dissertation oder die Entwicklung des ultimativen Excel-Spreadsheats verwendet werden. Alienware liefert hierfür sogar die notwendigen Programme in Form eines OEM-Pakets von Microsoft Office mit.


Fazit

Spielen auf der Alienware Alpha macht Spass. Schon in der kleinsten Ausbaustufe zeigt der kleine schwarze extraterrestrische Spielstein gute Leistungen. Natürlich gibt es die Einschränkungen, die bereits erwähnt wurden, wie fehlende Wechselmedien und spartanische Konnektivität. Klassische Spielekonsolen sind hier nicht wirklich besser, und bei der Alpha kann das Problem über USB behoben werden. Deswegen ist die Alienware Alpha eine ernstzunehmende Alternative gegenüber klassischen Konsolen. Bedenkt man noch, dass der Alien-PC sowohl SteamOS als auch Windows 10 ausführen kann, so dürfte sich das Gleichgewicht in der Waagschale zugunsten der Alienware Alpha verschieben, speziell da Windows 10 als kostenloses Upgrade erhältlich sein soll. Der Interessierte muss sich nur überlegen, welche Ausbaustufe am ehesten seinen Ansprüchen entgegenkommt, denn ins Auge fassen sollte man die Alienware Alpha bei einer Neuanschaffung auf alle Fälle. (Bernd Kasperidus)


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